"Jungs wollen sich nicht hochdienen"
 

 

Bärbel Auffarth, Vorsitzende des Kreisreiterverbandes, über Nachwuchssorgen und eine gute Ausbildung

Artikel des Weser Kuriers vom 08.02.2007

 

Bärbel Auffarth ist natürlich im Stall, da, wo man die Vorsitzende des Kreisreiterverbandes erwartet. Zum Gespräch mit unserem Redaktionsmitglied Andreas D. Becker über ihr erstes Jahr im Amt geht es dann aber in die gute Stube. An der Wand hängen ein paar Siegerschärpen von Tochter Sandra. Beim Blick aus dem Fenster fällt sofort die Führanlage ins Auge, in der zwei Tiere ihre Runden drehen. Ihr Atem dampft weiß in die kalte Winterluft.

Frage: Die Fußballvereine können sich nach der Weltmeisterschaft kaum vor Nachwuchskickern retten, und die Handballer hoffen auch auf eine Schwemme neuer Spieler. Haben die Reiter von den Weltreiterspielen im vergangenen Jahr profitiert?

Bärbel Auffarth: Absolut, sie haben eine unwahrscheinlich positive Wirkung gehabt. In sportlicher Hinsicht sowieso, aber auch für die Zucht. Das Interesse ausländischer Kunden an deutschen Pferden ist sehr stark gestiegen.

Gab es auch einen Run auf die Reitvereine?

Schwer zu sagen, wahrscheinlich nicht. Es hat sich aber gezeigt, dass es viele Leute gibt, die mit Pferden zu tun haben wollen, nur irgendwie noch nicht in die Vereine gestoßen sind.

Haben die Reiter denn wie so viele andere Sportarten mit einem Mitgliederschwund zu kämpfen?

Nein, die Zahlen sind stabil. Aber wir haben natürlich das alte Problem, dass wir sehr viele Mädchen haben, aber nur sehr wenige Jungs. Wir müssen uns allerdings im Klaren sein, dass es immer weniger Jugendliche in Deutschland gibt. Wenn uns also die Mitgliederzahlen nicht wegbrechen sollen, müssen wir in Zukunft mehr Jungen in die Vereine locken.

Warum wollen Jungs denn nicht reiten?

Jungs wollen gleich Action haben, es muss sofort richtig abgehen. Sie haben nicht wie Mädchen die Geduld, langsam anzufangen. Mädchen haben kein Problem damit, sich langsam hochzudienen, Schritt für Schritt zu lernen. Und dann hat sich noch gezeigt, dass Jungs Erfolg haben wollen, sie mögen es nicht, wenn sie den Mädchen hinterherreiten. Wenn ihnen das nicht gelingt, hören sie schnell wieder auf.

Zumindest im Kreisreiterverband Delmenhorst reiten die Jungs hinterher. Die erfolgreichen Nachwuchsreiter waren zuletzt immer Mädchen. Sei es Ihre Tochter Sandra, Jenny Tönjes oder Janna Horstmann - übrigens auch alles Vielseitigkeitsamazonen. Die Vielseitigkeit genießt in Ihrem Kreis einen hohen Stellenwert, oder?

Sie hat in unserer Gegend sowieso eine lange Tradition, das belegen ja auch so prominente Namen wie Horst Karsten oder Günter Hegeler. Früher sind alle Vielseitigkeit geritten. Und ich bin auch dafür, dass der Nachwuchs erstmal in der Breite ausgebildet wird, sich nicht zu früh spezialisiert. Da ist es natürlich sehr positiv, dass sich die Vielseitigkeit in den vergangenen zehn Jahren sehr verändert hat. Heute sind alle drei Teilprüfungen wichtig, Dressur und Springen sind keine Anhängsel mehr. Und die Geländeparcours werden auch so gebaut, dass sie technisch anspruchsvoll zu reiten sind. Das garantiert fairen Sport, bei dem wirklich der Beste gewinnt. Und das ist für alle attraktiv: für Reiter, für Zuschauer und natürlich auch für Sponsoren, die wir in der Vielseitigkeit dringend brauchen.